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Grüne Tomaten in Glandorf

Samstag Morgen. Es soll heiß werden, aber das ist es ja schon seit Wochen. “Komm, eine kleine Strecke geht!” Nur wohin? Ich google die Veranstaltungen im Landkreis und sehe was von “Fackelfest” und Trödelmarkt in Bad Laer.

Hermann stopft die Räder in den Kofferraum, eine Flasche Wasser dazu und los geht es. Wir parken in Glandorf am Ortsrand auf einem großen Parkplatz in der Nähe des Combi-Marktes. Von hier aus geht es zunächst längs der Hauptstraße auf einem gut ausgebauten Fahrradweg Richtung Bad Laer. Nach kurzer Zeit biegen wir links in eine Allee ein, die uns Schatten spendet. 

 

Dürre Stoppelfelder und Maisfelder, deren Früchte viel zu klein und deren Halme viel zu trocken sind, rahmen Wald und Wiesen ein. Wir brauchen dringend Regen, der noch lange nicht in Sicht ist. Ein komischer Sommer.

 

Rechts von uns ein langgestreckter Baggersee. Wunderschön, als hätte die Natur ihn geschaffen, liegt er friedlich in der Landschaft, blaugrün schimmernd. Ich lasse mir erklären, dass das Areal vom örtlichen Anglerverein gepflegt und unterhalten wird. Baden und Angeln ist verboten. Wir sehen fröhliche Gruppen von Jugendlichen mit Stand-Up-Paddling Ausrüstung und hoffen, dass jeder von ihnen seinen Müll selbst wieder mitnimmt. (Ich denke daran, dass wir in dem Alter auch an Seen gesessen haben, wo das nicht wirklich erlaubt war. Aber, liebe Leute, hinterlasst den Ort bitte sauberer, als Ihr ihn vorgefunden habt...)

 

Die alte Buche neben uns ist Zeuge unzähliger Liebesschwüre, eingeritzt in ihre Rinde, verewigt, obwohl die Liebe vielleicht längst schon nicht mehr da ist. Oder doch? Wir sollten “W+R” mal fragen!

 

Nach knapp 8 km erreichen wir Bad Laer. Hermann freut sich auf den Trödelmarkt, liebt er doch alles, was alt und rostig ist. Tja. Am kleinen Glockensee wird ein Festival aufgebaut, der Kurplatz liegt verlassen in der Hitze.

 

“Bist Du sicher, dass hier heute Fackelfest und Trödelmarkt ist?” Ich google. “Ähm - nee. Morgen.”

 

Hermann verzeiht mir und wir essen ein Eis am Kurplatz. Bad Laer hat einen schönen historischen Ortskern mit vielen Fachwerkhäusern, besonders der Giebel der “Pension Niedersachsen” hat es mir mit seinen geschnitzten Figuren angetan.

Die Besonderheit des Ortskerns besteht aus seiner über 1000 Jahre alten mittelalterlichen “Doppelrundlings-“Siedlungsstruktur in Acht-Form mit dem Thieplatz und der Kirchhofsburg. Direkt vor der Sparkasse am Thieplatz steht nach wie vor der alte Pranger. Sollten da heute noch die säumigen Zahler angekettet werden?

 

Vor dem Heimatmuseum mit gepflegtem Bauerngarten liegt ein “Piepstein”, bis heute habe ich nicht gewusst, dass es soetwas gibt. Er besteht aus versteinerten Schilfstängeln, die plattdeutsch “Piepen” genannt werden. Dieser war hier in der Gegend schon im Mittelalter ein begehrtes Baumaterial, speichert er doch mit seinen vielen Hohlräumen viel Wärme.

 

Wir drehen eine Runde durch den Ort und fahren die gleiche Strecke zurück nach Glandorf, denn wir haben noch ein Ziel: Das Blumenfeld Pues-Tillkamp, das auf dem Weg liegt. Dort stehen nicht nur Blumen zum Selberpflücken auf dem Feld, sondern es gibt ein großes Gewächshaus, in dem Gemüse und vor allem historische Tomatensorten gezogen werden.  

 

Diese schmecken ganz anders als die gemeine Supermarkt-Tomate und man bekommt eine Ahnung, was die Tomate früher mal ausgemacht hat. Grüne, rote, gelbe, burgunderfarbene, kleine, große, glatte, strukturierte, melierte, runde, ovale Tomaten, was das Herz begehrt. Jede ist anders, jede schmeckt anders, jede hat eine andere Konsistenz. Artenvielfalt und Ursprünglichkeit, die die Standardisierung der Supermärkte nicht hergibt. 

 

Wir kaufen im Hofladen ein und lassen später zuhause bei einem Tomatensalat, den es im Sternerestaurant nicht besser gibt, den Tag ausklingen.

 

Fazit: Die (florale und steinerne) Glückskultur liegt vor der Haustür!

 

 

 

 

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