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Noch vier kleine Räder - auf nach Termunterzijl!

Wir haben lange mit dem Gedanken gespielt, hin und her überlegt, viel angesehen, und seit zwei Wochen zieren weitere vier kleine Räder unseren Hausstand, nämlich ein Wohnmobil!

 

Die Klappräder passen ohne weiteren Fahrradträger mit in die Heckgarage neben Campingstühle und Gedöns, und so können wir unseren Radius Schritt für Schritt erweitern.  Ja, es ist mit 7,41 m Länge ganz schön groß für den ersten Versuch, aber mit Hermanns Körpergröße von 1,94 m ist es gar nicht so einfach, ein Mobil zu finden, wo er nicht mit dem Kopf an die Decke haut. Im Endeffekt ist es ein Dethleffs Trend geworden, der hat genug Stehhöhe und die Betten sind lang genug. (Und verglichen mit denen, die noch eine Smart-Garage nebst Zweitwagen beinhalten, war der echt bezahlbar...)

 

Die allerersten Gehversuche in Sturm und Regen erspare ich Euch, aber dies Wochenende haben wir eine wunderschöne kleine Tour gemacht, genau richtig für ein Wochenende.

 

Wir sind tatsächlich Freitag Abend nach 19.00 Uhr einfach noch losgefahren, auf's Geratewohl, mit der Idee, in Haren an der Ems auf einem Wohnmobilstellplatz zu übernachten und am nächsten Tag weiter nach Holland zu fahren. Ohne zu wissen, was uns erwartet, fuhren wir in die Dunkelheit. (Ist ja sonst so gar nicht mein Ding!) In Haren gibt es einen Wohnmobilstellplatz direkt an der Ems, zu dem unser Navi uns korrekt leitete.

 

Was mich erstaunte: Der Platz war schon ziemlich voll, das hatte ich Ende März in einem Kleinstädtchen wie Haren nicht erwartet. (Für die Wohnmobilisten unter Euch: Kein Strom, kein Wasser, keine VE, keine sanitären Anlagen, aber wunderschön gelegen und gratis!) Aber es gab noch Platz für uns! Zusammen (einer fährt, einer schreit) parkten wir unser Landschiff rückwärts und perfekt ein und waren sehr stolz auf uns!

 

Unsere Nachbarn schienen um 21.00 Uhr alle schon im Tiefschlaf zu sein, also ließen auch wir den Abend ruhig bei einem Glas Wein und frischem Brot ausklingen.

 

Am nächsten Morgen war mir klar, warum der Platz so voll war: Die Ems lag träge in der Morgensonne, gelbe Narzissen reckten ihre Köpfe in die klare Luft und in einem  Seitenarm der Ems knarzten die fest vertäuten Museumsboote des Schifffahrtssmuseums. Außerdem gibt es für's Frühstück einen Bäcker in Laufweite des Stellplatzes. 

 

Am Abend waren wir die Letzten, die kamen und am Morgen die Ersten, die fuhren. 75km später erreichten wir den winzigen Yachthafen Termunterzijl, der direkt am Dollart gegenüber von Emden liegt. Nach der Erfahrung in Haren war ich darauf gefasst, auf den nächsten Campingplatz ausweichen zu müssen, aber siehe da, wir waren die Ersten auf dem angrenzen Stellplatz für 7 Mobile. (Später kam nur noch ein holländisches Ehepaar mit seinem Wohnmobil, wir hatten das Areal quasi für uns.)

 

Wir sorgten für Gas- und Stromanschluss (Stellplatz kostenpflichtig in der Sommersaison ab 1.4., dann gibt es auch Duschen, VE geht, solange es nicht friert, Strom funktioniert ganzjährig über die App AaNuit.net, 0,50@/KwH), setzten uns auf die Räder und erkundeten die Gegend. 

 

Termunterzijl und das angrenzende Termunten bestehen aus einem Hotel, vier, fünf Restaurants, einer Kirche, vielen schönen kleinen Wohnhäusern, Kanälen, Deichen und der Nordsee. Dazu zwei Campingplätze, der (im März noch leere) Yachthafen und der Wohnmobilstellplatz. Wir fuhren am Deich entlang ins 10 km entfernte Delfzijl. Wer hier Windmühlen, Kühe und Holland erwartet, wird enttäuscht. Die gesamte Strecke säumt rechts der Deich mit großen Windanlagen und links Industrie - vom Wärme produzierenden Kraftwerk bis zum Chemiewerk. Die dicken Fernwärmeleitungen begleiteten uns über mehrere Kilometer. Aber auch das hat seinen eigenen Charme und zeigt, dass Holland nicht nur aus Tulpen und Klonten besteht, sondern ein modernes Industrieland ist, das Deutschland in Sachen Umwelt weit voraus ist.

 

Einerseits - nicht so schön und naturbelassen, wie ich mir das wünsche. Andererseits - auch das gehört zu Holland. Und auf den Brachen zwischen den großen Industrie-Anlagen hat die Natur sich das, was ging, auch schon zurückgeholt. Schafe mit schwarzen Köpfen beweiden die Deiche, Wildenten, Krähen und Kaninchen bevölkern die Wiesen zwischen den Werken. Und das sehr entspannt.

 

Delfzijl City zeigte leider keine Spur von der Schönheit und historischen Anmut holländischer Städte,  die uns sonst immer so begeistert. Die Fußgängerzone erinnerte uns eher an einen schlechten spanischen Touristenort, viel Leerstand, ein paar Mode-Ketten, Billigläden. 

 

Also ab in den Supermarkt, Hermann davon abgehalten, sich für drei Wochen zu bevorraten ("Aber wir haben doch einen Kühlschrank!"), und zurück zum Stellplatz. Die Vororte wiederum sind recht hübsch und überall dort, wo große, alte Schiffe an schläfrigen Kanälen liegen, vergessen wir die hässliche Innenstadt schnell.

 

Die Nacht verbringen wir in natürlicher Stille fast alleine auf dem Stellplatz, nur der Wind pfeift über den Deich und die eine oder andere Möwe macht mit einem Schrei auf sich aufmerksam. 

 

Nach einem ausgedehnten Frühstück (nach dem Supermarktbesuch war wirklich noch genug im Kühlschrank!) packen wir zusammen und beschließen, uns auf dem Rückweg die Festung Bourtange anzusehen. Nur 2 km von der deutschen Grenze entfernt liegt die Festung im Bourtanger Moor in der Provinz Groningen und ist eine der wenigen, die komplett restauriert wurden. 

 

Wir sind früh dran, deswegen bekommen wir selbst für's WoMo noch einen Parkplatz (der zugegebenermaßen aus 5 PKW-Parkplätzen besteht). Der Eintritt auf das Festungs-Gelände ist frei, für 8,50€ gibt es eine Eintrittskarte, die auch Zugang zu den verschiedenen Museen ermöglicht.

 

Große Festungswälle empfangen uns, mit Wassergräben und Brückenwächterhäuschen. Um den runden Hauptplatz im Inneren scharen sich ehemalige Kapitäns- und Offiziershäuser, die heute Läden und Cafés beherbergen. Die alten Wohnhäuser dahinter, stilgerecht renoviert, sind ganz normal vermietet, was diesen Ort authentisch und lebendig macht. Wir schlendern an alten Mühlen vorbei, Gewürzhäusern, Kanonen, Schießpulverdepots und den "Secreten", den ehemaligen Toilettenanlagen.

 

Im kindgerechten Museum können Kinder eine Schlacht nachstellen und Kanonen ausprobieren. Hermann beschiesst mich mit Schaumstoffbällen und hat einen Heidenspaß. Ich schieße zurück und reite ein Haus weiter auf einer Wildgans!

 

Soldaten in historischer Uniform stellen (im Sommer immer sonntags) auf den Festungswällen eine Schlacht nach und knallen kräftig mit ihren Musketen.

 

Nach einem „Coffie verkeerd" (der holländische Milchkaffee, mehr Milch als Kaffee, deswegen "verkehrt") und einer Portion Bitterballen, die ich inzwischen als die holländische Form der Currywurst betrachte, weil es sie überall gibt, machen wir uns auf den Heimweg.

 

Fazit: 

1. Wir haben in 36 Stunden unglaublich viel erlebt. 

2. Ja, man kann auch Freitag Abend noch losfahren. 

3. Sein Haus dabei zu haben, ist echt cool!

 

Glücksfaktor: Immens!

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Kora (Montag, 01 April 2019 21:50)

    Schöne inspirierende Bilder! Wie bewähren sich die Klappräder denn im Gegenwind oder am Berg?

  • #2

    Tina (Dienstag, 02 April 2019 07:38)

    Kora, Berge hoch nicht wirklich (aber dafür gibt es Mountainbikes...), aber durch die 7- bzw. 8-Gang-Schaltung geht es im Gegenwind oder kleine Steigungen hoch recht gut!

  • #3

    Sandra (Dienstag, 02 April 2019 12:53)

    Liebe Tina, Deine Erzählung und Bilder sind wie ein Kurzuflaub in der Mittagspause... danke!

  • #4

    Tina (Dienstag, 02 April 2019 13:00)

    Danke, Sandra! �