· 

Auf nach Schweden 2 - Falköping und Henan

Unser erstes Ziel lag in Falköping. Hermann hatte herausgefunden, dass es dort eine hohe Dichte an megalithischen Kulturen wie Hünengräbern gibt. Er bekommt als Kunsthistoriker, Fotograf und Journalist mit einem ausgeprägten Interesse für Archäologie mächtig leuchtende Augen, wenn er das Wort "Hünengrab" hört. Also los.

 

Falköping liegt in Südschweden zwischen dem Vänern- und dem Vätternsee und besitzt genau einen Campingplatz. 

Dieser befindet sich - was man in Südschweden weniger vermutet - auf einem Tafelberg. Wunderschön, denkt sich ein Jeder, au weiah, denke ich, denn wir sind auf unsere Klappräder angewiesen, wenn wir nicht ständig das Wohnmobil auf- und abbauen wollen. Der Platz ist grün und lieblich, die Aussicht wunderbar und die Facilities lassen keine Wünsche offen.

 

Unsere erste Tour geht zum örtlichen Museum, Hermann hoffte darauf, hier Informationen über die Lage der Hünengräber zu finden. Im Internet stand nämlich nichts darüber.

 

Seid sicher, mit dem Klapprad kommt man einen Tafelberg sehr schnell runter. Das Wetter ist untypisch für Schweden, wir haben 30 Grad im Schatten.  Wir sind begeistert, was ein so kleiner Ort wie Falköping hier im Falbygden Museum auf die Beine gestellt hat. Ein schöner Querschnitt durch die Geschichte der Region, von archäologischen Funden aus einer Zeit weit vor den Wikingern bis in die Neuzeit, liebevoll zusammengestellt, so dass Erwachsene und Kinder gleichermaßen Spass daran haben. Sehr anschauliche 1:1 Modelle von den Hünengräbern, Kleidung und Waffen der Wikinger, ein Boot, Nahrung und vieles mehr.

 

Hier bekamen wir eine Stadtwanderkarte, die sage und schreibe eine Route mit zehn Hünengräbern enthielt! Hermann war happy und wir beschlossen, die Route erstmal mit den Rädern zu erkunden.

Das erste Grab war schnell gefunden, es lag nur eine Straße weiter in einem kleinen Stadtpark.

 

Hermann schnappte sich seine Kamera und machte ein paar Aufnahmen, dann suchten wir das zweite Grab auf der Karte. Tja. So sehr wir auch suchten, mehr als einen bewachsenen Erdhügel gab es nicht zu sehen  an der Stelle. Hermann kratzte sich am Kopf. "Das haben sie wohl nicht freigelegt - oder wieder zugeschüttet. Lass uns zum nächsten fahren!"

 

Dasselbe passierte uns bei den acht restlichen Hünengräbern. Jetzt wussten wir, warum im Internet kaum etwas darüber zu finden war. Nächstes Mal recherchieren wir vorher besser!

 

Das Städtchen gab an einem Sonntag Nachmittag in ärgster Sommerhitze nicht viel her, also beschlossen wir, zum Campingplatz zurückzufahren.

 

Bis Hermann plötzlich scharf bremste, etwas von Motorrädern murmelte und auf ein Gebäude deutete. "Motorcycelmuseum" stand auf einem Schild. Wir stiegen ein paar Stufen hinauf und wurden herzlich empfangen. Von Lennart Magnusson. Lennart ist 85 Jahre alt und der letzte Überlebende von Fünfen, die das Museum 1995 aus ihrer Leidenschaft für Motorräder heraus gegründet haben. Lennart ist fast taub und fast blind, aber er öffnet sein Museum fünf Mal die Woche. Er sieht zwar sehr schlecht,  aber er ist fit, und beweist mir gleich, dass er noch Kniebeugen machen kann!

 

Er erzählt uns die komplette Geschichte des Motorrades in Schweden und zeigt uns die passenden Exponate dazu. Er und seine Freunde haben alles gesammelt, was sich je in Schweden tummelte, besonders die Speedway-Rennmaschinen mit den dicken Spikes im Profil haben es ihm angetan. Dazu frühe schwedische Motorräder mit seltenen und ungewöhnlichen technischen Lösungen. Lennart kannte viele Fahrer und Motorrad-Konstrukteure des letzen Jahrhunderts persönlich - übrig geblieben ist allein er.

 

In Hermann hat er einen passenden Gesprächspartner gefunden, der das, was er erklärt, nachvollziehen und sogar ergänzen kann, besonders im Fall einer deutschen "Wanderer" aus dem Jahr 1904, die Hermann am liebsten eingesackt hätte! Er hätte uns noch Stunden davon erzählen können! By the way, Lennart sucht einen Nachfolger. Falls er mal eines Morgens nicht mehr aufwacht.

 

Jetzt zurück. Den Tafelberg wieder hoch. 30 Grad. Sengende Sonne. Wasserflasche vergessen. Seit 2 Stunden unterwegs. Nee, Leute, das muss nicht sein! Ich krabbele mit hochrotem Kopf die letzten Meter schiebenderweise bergan und beschließe, dass ich das nicht noch einmal machen möchte.

 

Hermann ist lieb und geht bei der Rezeption ein Eis holen. Eis besänftigt mich immer!

 

Nach einer ruhigen Nacht - allerdings mit einem sehr betrunkenen Schweden mit einem Rottweiler als Nachbarn, der seinem Hund ständig den allgemeinen Trinkwasserschlauch ins Maul steckte (ich werde nie wieder auf einem Campingplatz einen Trinkwasserschlauch benutzen, ohne ihn vorher zu desinfizieren!)  - beschlossen wir, abzubauen und an die Küste zu fahren.

 

Nun begann "mein" Urlaub, denn dazu gehört für mich ein irgendwie gearteter Stellplatz in Wassernähe, am besten mit Blick aufs Wasser. (Bettina Tietjen nennt das übrigens "schön stehen". Ich auch.)

Nein, ich muss da nicht rein, ich schwimme auch nicht gerne, aber ich möchte draufgucken können und dabei ein Buch lesen. Inzwischen war ich bei einem leichten schwedischen Krimi angekommen, der sogar in derselben Gegend spielte. (Ann Rosmann, "Die Wächter von Marstrand")

 

Nach 140 km erreichten wir Henan auf der Insel Orust in Västra-Götaland nördlich von Göteborg. Ein Stellplatz. Im Yachthafen. Am Wasser. Ein Supermarkt und ein kleiner Ortskern in Laufweite. Jawoll. So muss das!

 

Nicht zu vergessen die Bibliothek, das ist etwas, was in Schweden sehr hochgehalten wird. Die Bibliothek ist ein öffentlicher Ort, wo sich zu Öffnungszeiten jeder aufhalten, informieren, lesen und Bücher und Zeitschriften ausleihen darf. Es gibt freie Internet Terminals, sie dient als Stätte der Begegnung für die Einheimischen und als Anlaufpunkt mit Touristeninformation für die Durchreisenden. 

 

Der winzige Dorfkern bietet alles, was der Wohnmobilist braucht. Lebensmittel, ein grandios gutes Fischgeschäft, einen Friseursalon, einen Optiker und ein kleines Café. 

 

Die Boote spiegeln sich im dunkelblauen Wasser und der Wind pfeift ein Liedchen durch die Masten und Wanten. Auf dem Holzsteg hat ein wohlmeinender Geist zwei Kapitänssessel verschraubt, die nur darauf gewartet haben, dass wir uns mit einem Buch und einem Glas Weißwein hineinsetzen! Das! Ist! Urlaub! Unser Blick schweift über Kräuselwellen, rote Bootshäuser und felsige Hügel, ich bin happy!

 

Auf einem Bootssteg hat sich ein winziges Eiscafé niedergelassen. Kleine Liegestühle in bunten Farben laden die Besucher ein, sich mit ein, zwei (oder drei, also ich!) Kugeln Eis darauf niederzulassen und mit Blick durch die Segelmasten in den blauen Himmel eine fast kalorienarme Zwischenmahlzeit zu schlecken. 

 

Außer uns haben sich noch etwa 20 weitere Wohnmobile eingefunden, es ist genug Platz für alle. Norweger, Schweden, Holländer, Franzosen, Deutsche, eine gute Mischung. Der Abend klingt aus mit handgebackenem Knäckebrot und Krabbensalat und einem norwegischen Schifferklavier, das jemand fröhlich und leise zwischen den Kastenwagen spielt.

 

Am nächsten Tag - nach einem guten Frühstück mit Croissants und Brötchen aus dem Supermarkt - starten wir zu einer Fahrradtour, wohl wissend, dass unsere Klappräder auch an dieser Schärenküste suboptimal sind. Egal, wir haben es auch den Tafelberg wieder hoch geschafft!

 

Wir entdecken hinter jeder Kurve Neues, Schwedenhäuser, dichte Waldstücke, Felder, wunderbare Aussichten auf Schären und Meer, Trolle im Gebüsch, gepflegte und ungepflegte Grundstücke sowie einen uralten, verkommenen Wohnwagen, der mich animiert, endlich den Krimi zu schreiben, den ich immer schonmal schreiben wollte. Wer weiß, was sich darin verbirgt?

 

Henan gefällt uns so gut, dass wir eine zweite Nacht bleiben.

 

...to be continued


Nächstes Kapitel

Letztes Kapitel

  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0